Geschichte der Würmranger

Die Würmranger entstanden aus der langjährigen Arbeitsgemeinschaft (AG) Würm an der Grundschule Grandlstraße in München-Obermenzing. Gegründet und  geleitet wurde die AG von Ursula Schleibner, bis 2010 Lehrerin und Umweltschutzbeauftragte der Schule. Diese AG arbeitete von 2002 bis 2010 jedes Schuljahr, nachmittags und freiwillig. Sie erfreute sich großer Beliebtheit.

Die Schule ist ca. 500 m von der Würm entfernt, doch die Kinder hatten kaum Beziehung zum Fluss. Durch Begradigung reißend, mit befestigten Ufern, durch ungenügend geklärte Abwässer und diffuse Einleitungen verschmutzt: Kinder wurden in der Regel von der Würm ferngehalten.

begradigte Würm in Obermenzing
Ursula Schleibner schloss sich der Agenda 21 Gruppe München West an, der Würm-Gruppe. Agenda 21: ein entwicklungs- und umweltpolitisches Programm für das 21. Jahrhundert, beschlossen 1992 von 179 Staaten in Rio de Janeiro mit dem Auftrag, u.a. lokales Engagement zu fördern. Im Münchner Westen war die Agenda 21 Gruppe 1996 entstanden. Almuth David, Barbara Wolter, Sonja Haider, Brigitte Weiß, Doris Barth und Sigrid Kaschuba arbeiteten sich ab 1998 als Würm-Gruppe intensiv in das Thema Würm ein: u.a. Geschichte der Begradigung und Verschmutzung, ehemalige Würmbäder, Mühlen, barockes Kanalsystem nach Nymphenburg und Schleißheim, Pläne zur Renaturierung einiger Würmabschnitte. Hier entstand der Slogan: Die Würm – so nah und schon Erholung. Dort entstand auch die Idee, an der Grandlschule eine AG Würm zu gründen, was 2002 geschah. Themen waren u.a.:

  • Errichten und Pflege eines „Weidenhüttendorfs“ auf dem für die Renaturierung vorgesehenen 300 m langen Gelände, in Zusammenarbeit mit dem Gartenbaureferat der Stadt
  • Naturerfahrungen aller Art, u.a. biologische Gewässergüteuntersuchungen
  • regelmäßiges Aufsammeln und Entsorgen von Müll im Biotop, wie die AG das wilde Gebiet zwischen Inselmühle und Fußgängerbrücke über die Würm nannte, in dem vom Orkan Wiebke gefällte Bäume lieben blieben – als Biotoppaten, eine ehrenamtliche Tätigkeit, gefördert vom Gartenbaureferat der Stadt
  • Anträge beim Kinder- und Jugendforum der Stadt: dass dort ein Hinweisschild aufgestellt würde und dass die Kinder beteiligt würden bei praktischen Arbeiten zur Renaturierung
  • Antrag in der Kindersprechstunde des Bezirksausschusses (BA): dass der renaturierte Flussarm mehrere Kurven machen solle, damit auch Flachufer entstehen
  • Geschichte der Würm von der Würmeiszeit bis heute
  • ein Wochenende an der Würm – vom Ausfluss am Würmsee bis zur Mündung bei Dachau
  • Ausrichten eines Tags der Artenvielfalt für die ganze Schule
  • Heinz-Sielmann-Schulpreis und Förderpreis MUNA (Mensch und Natur) der DBU (Deutsche Bundesstiftung Umwelt)
  • Zusammenarbeit mit Künstlern
  • Film Bullerbü an der Würm
  • Ausrichtung einer öffentlichen Veranstaltung zu Renaturierung und Kinderbeteiligung in Schloss Blutenburg
  • mehrmalige Aufführung des Musiktheaters „Wir sind an der Würm daheim: das Programmheft
  • Umweltpreis der Stadt München an Ursula Schleibner

Die geplante Renaturierung war in den Jahren 2000 bis 2009 ein Lokalpolitikum. Es gab Bedenken und Gegner. Die vorgetragenen Gründe bzw. Befürchtungen waren: Gefahr feuchter Keller, Schaden für die Bäume, die bei einer „Flutung“ absterben würden, Mückenplage, ev. lärmende oder Müll hinterlassende  Besucher, Verlegung des provisorischen Bolzplatzes in der Mulde auf die andere Seite der Würm, wo man die Jugend nicht einsehen könne. Es folgten Planfeststellung und eine Klage gegen das Vorhaben.

Ein Wunsch der Kinder und der Leiterin der AG war, dass man an den flacheren Ufern einer Renaturierung wieder Kontakt zum Wasser haben könne und dass die Kinder  sich beteiligen könnten an der Renaturierung. Die Arbeit der AG war im Bezirksausschuss, im Stadtrat, beim Gartenbaureferat, beim WWA und bei der Unteren Naturschutzbehörde bekannt und anerkannt. Durch Interesse und Begeisterung der Kinder wurden Eltern auf die Debatten um die geplante Renaturierung aufmerksam und engagierten sich für die Renaturierung. 2009 durften die Kinder beim Durchstich mitbuddeln und Inseln bepflanzen. Heute wird die Renaturierung allgemein sehr gut angenommen .Es gibt so gut wie keinen Vandalismus, auch nicht mehr im „schützendswerten Auwaldrest“.

Renaturierung der Würm

Jede Flussrenaturierung dient dem Hochwasserschutz, der Erweiterung und dem Schutz von Artenvielfalt, der Verbesserung der Wasserqualität sowie der Gestaltung von Naherholungsgebieten, dadurch weniger Verkehr. Bei der renaturierten Würm in München West geht es darum, uns und anderen diese positiven Wirkungen bewusst zu machen und entsprechend zu handeln: die neu entstandenen und entstehenden naturnahen Räume zu schätzen und zu schützen. Dass Aufklärung und Bewusstseinsveränderung in diesem Sinn notwendig ist, zeigt in München eindrucksvoll die Renaturierung der Isar, ein weltweit renommiertes Projekt, das sehr gut „angenommen“ wurde und wird, häufig jedoch im Sinn von konsumiert: als Platz zum Grillen, Trinken, Müll hinterlassen – für die „außermenschliche Natur“ eher be- als entlastend. Belehrungen führen selten zum Erfolg. Die Ziele sind jedoch so einleuchtend, dass jedes Kind sie versteht:

  • Man will sauberes Wasser.
  • Man möchte, dass es den Tieren gut geht.
  • Man möchte, dass dort standortgerechte Pflanzen gedeihen.
  • Man will Biodiversität fördern, u.a. durch Eindämmen des Japanknöterich und des indischen Springkrauts und durch Aussäen von autochtonem Saatgut.
  • Man möchte, dass Menschen im Naherholungsgebiet Kraft tanken können und dabei auf Wasser, Pflanzen, Tiere und andere Menschen, besonders auch Anwohner Rücksicht nehmen.

Sensibel angeleitete Naturerfahrungen für Kinder sind ein nachhaltiger Königsweg hin zu Interesse an der Natur, zum Erleben ihrer Schönheit und Schutzwürdigkeit.
Nach ihrer Pensionierung gründete Ursula Schleibner mit Ehemaligen und neuen Interessierten die Roots & Shoots – Gruppe München West. Roots & Shoots (Wurzeln und Sprossen)– eine Initiative der Schimpansenforscherin, Umweltschützerin und UNO-Friedesbotschafterin Jane Goodall. Weltweit wurden viele Kinder- und Jugendlicheninitiativen auf verschiedensten Feldern als R&S-Gruppen tätig. Die Roots & Shoots -Gruppe München West gab sich den Namen „Würmranger“. Man wollte entlang der Würm die Entwicklung von mehr Artenvielfalt beobachten, weiter Müll aufsammeln, den japanischen Knöterich eindämmen, Befragungen durchführen über Akzeptanz und Wünsche, Veranstaltungen organisieren für Naturerfahrungen, für fundierteres Wissen und für ein schätzendes, schützendes, liebevolles Bewusstsein. Nicht zuletzt werden Kindern, Eltern, Lehrern, Schulen und anderen Einrichtungen Unterstützung angeboten für Naturerfahrungen und Naturschutz vor der Haustür.